Prozess vor dem Amtsgericht „Meine Familie hatte Angst vor mir“

Werner Müller
Mit drei Promille Alkohol und weiteren Drogen im Blut flippte ein Mann gegenüber Eltern und Polizei völlig aus. Nun stand er –­ nicht zum ersten Mal – vor Gericht. Foto: Werner Müller

Mix aus Alkohol, Tabletten und Drogen: Ein Mann randaliert in der elterlichen Wohnung und attackiert Polizeibeamte. Das Amtsgericht verurteilt den 29-Jährigen zu 14 Monaten auf Bewährung.

Fast drei Promille Alkohol im Blut. Dazu jede Menge psychoaktives THC (Cannabis-Wirkstoff) und ein wilder Tabletten-Cocktail: Diese explosive Mischung sorgte im Februar des vergangenen Jahres dafür, dass ein junger Mann komplett außer Rand und Band geriet. Der 29-Jährige verwüstete das Mobiliar in der elterlichen Wohnung, rammte mit dem Kopf gegen die Wände und stieß gegen seine Eltern wüste Drohungen aus. Diese wussten sich schließlich nicht anders zu helfen, als den Notruf zu wählen. Doch das machte die Sache nicht besser, im Gegenteil.

Mann flippt völlig aus

Als Polizeibeamte nach dem rechten sehen und den mittlerweile schlafenden Mann wecken wollten, flippte dieser völlig aus. Er gebärdete sich aggressiv, bedrohte alle um sich herum („Ich schlag dich gleich zusammen. Ich zerbeiß’ dich.“) und warf mit Schimpfwörtern der übelsten Sorte um sich. Mehrfach versuchte er, einem Polizisten einen Kopfstoß zu verpassen. Beim ersten Mal traf er nur den Türpfosten und verletzte sich selbst, beim zweiten Mal jedoch – schon mit Handschellen gefesselt und auf der Trage im Rettungswagen – erwischte er den Beamten an der Wange und fügte ihm eine Prellung zu. Dieses wilde Um-sich-schlagen hatte jetzt ein juristisches Nachspiel für den 29-Jährigen. Er musste sich vor dem Amtsgericht unter anderem wegen Widerstands und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, Körperverletzung und Beleidigung verantworten.

„Absolut keine Erinnerung“

An jene gewalttätigen Auftritte habe er selber keine Erinnerung, erklärte der Angeklagte, er wisse davon nur aus den Erzählungen seiner Eltern, bei denen er nach wie vor im Kinderzimmer wohne. Er habe sich damals zur Entgiftung ins Krankenhaus begeben, sich nach nur einem Tag jedoch wieder selbst entlassen. Wie es zum gefährlichen Alkohol-, Tabletten- und Cannabis-Mix kam, wisse er nicht mehr. Ebenso wenig, dass er Eltern und Polizeibeamte bedroht habe.

Seit jenem Tag aber habe er keinen Tropfen Alkohol mehr angerührt und mittlerweile auch eine dreimonatige Suchttherapie erfolgreich abgeschlossen, versicherte der 29-Jährige. Diese habe er unmittelbar nach seinem damaligen Ausrasten selbst in die Wege geleitet. „Meine Familie hatte Angst vor mir, das wollte ich nicht mehr erleben“, beteuerte er.

Bei dem Polizisten, den er seinerzeit per Kopfstoß verletzte, entschuldigte sich der Angeklagte vor Gericht persönlich, nachdem dieser noch einmal eindringlich geschildert hatte, wie er und seine Kollegen seinerzeit alle Hände voll zu tun hatten, um den völlig außer Kontrolle geratenen 29-Jährigen zu bändigen.

„Schwer alkoholabhängig“

Der hatte an jenem Tag einiges intus. „Sie waren schwer alkoholabhängig“, hielt Richter Stefan Götz dem Angeklagten vor. Die Blutprobe nach der Festnahme ergab einen Alkoholpegel von 2,97 Promille. Dies könne zusammen mit den eingeworfenen Tabletten (unter anderem Psychopharmaka) und den Joints eine „erhebliche wechselseitige Wirkungsverstärkung“ samt verminderter Schuldfähigkeit verursacht haben. Laut toxikologischem Gutachten aus der Tatnacht komme auch eine „krankhafte seelische Störung“ in Betracht, so der Richter. Er zitierte in diesem Zusammenhang ein Urteil des Amtsgerichts Lörrach, das den 29-Jährigen 2023 zu einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt hatte, weil dieser im Zustand verminderter Schuldfähigkeit einen schweren Einbruchsdiebstahl begangen hatte – und das ausgerechnet im Elternhaus seiner Freundin. Auch sonst hatte der 29-Jährige schon einiges auf dem Kerbholz, wie der Blick ins Bundeszentralregister zeigte. Seit 2014 hagelte es Verurteilungen, unter anderem wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln.

Dessen ungeachtet sahen alle Prozessbeteiligten beim 29-Jährigen Hopfen und Malz noch nicht als ganz verloren an. Die Staatsanwältin bekräftigte zwar, dass nach den Zeugenaussagen des Polizeibeamten und den ärztlichen Gutachten sämtliche Vorwürfe erwiesen seien und der Angeklagte diese Taten aufgrund seiner Alkoholisierung und seines Tabletten- und Cannabiskonsums im Zustand verminderter Schuldfähigkeit begangen habe. Er habe in der Vergangenheit zudem eine Vielzahl an Vorstrafen angehäuft und eine „hohe Rückfälligkeit“ an den Tag gelegt.

„Positive Sozialprognose“

Für ihn spreche jetzt allerdings, dass er gegen sein Alkoholproblem mit Erfolg eine Therapie absolviert habe und sich seit einem Jahr nichts mehr habe zuschulden kommen lassen. Aufgrund dieser „positiven Sozialprognose“ plädierte sie für eine Gesamtstrafe von 14 Monaten, auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt und mit Auflagen verbunden. Der Rechtsbeistand des Angeklagten schloss sich an und bat um ein „milde Strafe“, die seinem Mandanten eine „Perspektive“ biete. Dieser beteuerte in seinem Schlusswort, er sei fest entschlossen, seinen nun eingeschlagenen Weg fortzusetzen und sich künftig „vor Gericht nicht mehr blicken zu lassen“.

„Auf Nimmer-Wiedersehen“

Das hörte Richter Götz nur zu gerne. Er verurteilte den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten, auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Außerdem erlegte er dem 29-Jährigen auf, nicht nur engen Kontakt zu seiner Bewährungshelferin zu halten, weiter die Suchtberatung in Anspruch zu nehmen und Arbeit zu suchen, sondern in Zukunft auch von jeglichem Betäubungsmittelkonsum die Finger zu lassen, selbst von einem Joint zwischendurch – - sonst drohe Haft. „Ich habe Sie jetzt zehn Jahre auf dem Radar“, redete er dem Angeklagten ins Gewissen, „insofern wäre ein Nimmerwiedersehen jetzt schön.“

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